Was hat ein Kulturbeutel mit Kultur zu tun? Im Lateinischen steht “cultura” für pflegen und genau das muss man auch nach den Lanzarote Ironman – die Wunden lecken und regenerieren. (Iron)Man geht ja nicht nach Lanza, um einen flachen und schnellen Triathlon zu bestreiten – nein – vielmehr um sich dort sehr nah mit den Naturgewalten auseinanderzusetzen.
Und in 2015 stehe ich das erste mal am Start und habe meinen Vorsatz, nicht über erwartete Splitzeiten zu sprechen, gerade ein mal 1 Tag durchgehalten.. So wollte ich im Vergleich ja max 30-40 Minuten langsamer sein als in Roth die Vorjahre.. Doch es kommt, wie ihr schon denkt, anders.. Der Analyseprofi von coachcox analysiert 2 Tage später, dass die Splitzeiten von 2015 wohl die langsamsten seit 7 Jahren waren. So ist schon das Schwimmen im Schnitt 20 bis 30 min langsamer als die Vorjahre…
Dabei konnte ich mich wohl noch gut behaupten. Beim Schwimmstart stehe ich inmitten dem Riesen Pulk an Leuten – benötige gefühlte 30 Sekunden nach Startschuss, um im Wasser zu sein. Dennoch versuche ich hier anders als sonst, einfach im Gekloppe mit zu schwimmen und cool zu bleiben, meine Energie will ich erst nach der ersten Wendeboje aufwenden. Da geht es auch flux, erste Runde durch und beim Landgang unter 29 Minuten – yeah, das war Rekord und jetzt male ich mir ein buntes Bild beim Schwimmen unter 1 Stunde… Paff, bekomme ich von links und rechts gleichzeitig Ellenbogen und Knie ins Gesicht und auf die Brust. Das heisst Arme anwinkeln, Platz verschaffen und ‘nen GROSSSEN Brustzug machen, um wieder Fahrt aufnehmen.. Bääh, dann kommen die Wellen und das Wasser schmeckt je mehr man davon zu sich nimmt, nicht wirklich besser. Aber alles egal, die letzten 900m im langen und gleichmässigen Zug zum Strand, 1:01:59h – ist ‘nen guter Start.
Die lange Wechselzone in unter 4 Minuten gemeistert und aufs Rad, die Nase in den Wind – yeah (Olli, du weisst was ich meine!) – jetzt heisst es permanentes Brisenmanagement auf dem Rad. Ich schau starr auf mein Wattmeter – Tendenz um 270Watt im Mittel.. Ruhig Tom, da kommt noch was.. Pulsmeter steigt vorsichtshalber gleich mal aus.
Kurzes Stück nach Yaiza und Richtung El Golfo im Rückenwind, ach, wie schön wäre es.. Nix, jetzt fangen wir doch erst an. Auf die Feuerberge mit grandiosem Gegenwind – die Einstellung macht es, treten, treten und dran bleiben. Ehe ich auch nur anfange zu denken, bin ich schon in La Santa und habe mir ein paar Riegel ergattert, dann geht es durch die spanischen Örtchen mit so vielen motivierenden Zuschauern – alleine dafür hat es sich schon gelohnt.
Ausruhen beim langen Anstieg Richtung Teguise, ca 12 km mit Rückenwind, da ist auch schon Kilometermarke 90 – ups, genau 3:00 Stunden?! Ist meine gewünschte Zeit von 5:45h etwa schon jetzt passé?
Also auf jetzt, Richtung Haria mit – starker Wind, kalte Nebelschwaden und die Antiege, jetzt wird es selektiv auch um mich herum. Der Spanier “Bravo” in orange zieht mir immer wieder davon, ich versuche dran zu bleiben und an der Abfahrt nach Haria – nein, hier kommt heute kein Gegenverkehr – wird eingeholt.
Grandios die Stimmung in Haria und jetzt nach Mirador del Rio, jawohl, dass brennt und die Wattnadel kommt noch auf 250 im Schnitt.. Dann passiert etwas, dass kenne ich eigentlich nicht, mir kommen mit einem mal so großartige Emotionen hoch, dass mir die Tränen im Gesicht stehen, mit einem Affenzahn nach Ye und dann die Abfahrt nach Arriata .. da hat es einen Radfahrer böse erwischt, Blut an der Leitplanke.. aber Rettungswagen und Notarzt schon da – also kann weitergehen – ich beruhige mich allmählich wieder und mit kommt das Grinsen bei Tempo 60-70 km/h nicht mehr aus dem Gesicht..
Kilometermarke etwa 120 auf Höhe Costa Teguise – ja, hier fahre ich doch bei Training immer runter und ins Sands Beach – wie schön das wäre – aber wir sind hier zum Kämpfen.. Mit guten Tempo geht es nach Tahiche, dann kommt der geniale Anstieg und nach Nazaret – darauf habe ich doch sehnsüchtig gewartet… Alles, was am Rad nicht fest ist und bis dahin meinte, noch halten zu müssen, fliegt auf der “Bumpy Road” meterweit davon.. Was ‘ne Rüttelpartie ..
Und jetzt nach über 5 Stunden im Sattel zähle die Restkilometer – jetzt muss ich grob nen 38 Schnitt fahren, um die 6 Stunden marke zu schaffen, oh oh.. Krisenmanagement einschalten und dran bleiben.
Die letzen Kilometer in Sicht und es wird nur noch bei knapp 200 Watt gekurbelt, jetzt geht mir der Ofen nach 6:08h aus und ich freue mich aufs Laufen..
Die Wechselzone barfuß zu durchlaufen – ganz gute Idee, wenn man eine 5 cm dicke Hornhaut aufweist.. jedenfalls nicht bei mir, ich denke meine Füße verbrennen gleich.. Im Zelt Schatten – ein Genuss. Und dann noch von den Helferinnen eine Oberkörpermassage mit Sonnencreme .. Worlaut: “That’s the greatest job here”, eigentlich könnte ich mir jetzt noch die Beine ;) Nene, dankend geht es raus zum Laufen..
Schön zu sehen, wie links von dir die Räder, die du abgehängt hast, hineinrollen.. Die sehen genauso aus wie du dich gerade fühlst. Aber ätsch, ich habe Vorsprung, 2 km, 3 km .. und dann wird es ne richtige Laufstrecke und die Promenade dünnt sich aus. Ah, hier also an der 5km Marke wird dann gewendet bei Runde 2 und 3.. Mh, Kopfrechnen .. wie lang war die erste Runde jetzt?
Schon habe ich zum Anfassen nahe nen Ferienflieger über mir und dick Gegenwind und Sandpeeling im Gesicht, oh, das wird lustig. An der Playa Honda Promenade geht es immer weiter und ich treffe leon, der ziemlich wortkarg ist.. Mhhh.
Wie machen den Weg (ins Ziel) frei!