Frage des Laufstils: Vor-, Mittelfuß oder Ferse?
Der Augenblick des Fußaufsatzes, wenn der Fuß also den Untergrund berührt, ist ein entscheidender Zeitpunkt im Schrittzyklus eines Läufers. In diesem Moment wird die Kraft zur Beschleunigung entwickelt – und es treten fast alle Laufverletzungen auf. So gut wie alle Ziele, die wir mit einer Änderung der Lauftechnik verfolgen, beziehen sich unmittelbar auf den Moment des Fußaufsatzes. Jeder lauftechnische Aspekt in einem effizienten Schrittzyklus bereitet mehr oder weniger auf diesen Moment vor.
Die Art und Weise, wie der Fuß eines Läufers auf dem Boden aufkommt, spielt eine äußerst wichtige Rolle für einen effizienten und verletzungsfreien Lauf. Davon ausgehend können wir zwischen drei Laufstilen unterscheiden: Der erste und am häufigsten zu beobachtende ist der Fersenlauf, auch Rückfußlauf genannt. Bei dieser Laufmethode kommt die Ferse als Erstes auf dem Untergrund auf, der Fuß klappt nach vorne, und das Körpergewicht des Läufers verlagert sich schließlich vor zum Ballen, von wo der Abdruck erfolgt.
Manche Läufer beschreiben diese Gewichtsverlagerung als ‚Abrollen’; doch damit ein Objekt auf einem anderen rollen kann, muss es rund sein. Ich verstehe nicht, wie es zwischen zwei quasi flachen Objekten zu einer Rollbewegung kommen soll. Die Sohle eines Laufschuhs ist ziemlich flach. Zugegeben, die Erde ist rund, aber auf die Länge eines Laufschuhs bezogen nimmt sich der Untergrund eher eben aus. Sehen Sie sich eine Zeitlupenaufnahme eines Rückfußläufer an, der behauptet, ‚abzurollen’: Sie werden sehen, dass keine Abrollbewegung stattfindet, sondern eine Ferse auf den Boden prallt.
Für den zweiten Laufstil, den Mittelfußlauf, ist ein flacher Fußaufsatz charakteristisch. Beim Mittelfußlauf kommen Ferse und Ballen gleichzeitig auf dem Untergrund auf. Diese Methode unterscheidet sich zwar vom Rückfußlauf, aber für unsere Zwecke in diesem Buch werde ich jeden Laufstil, bei dem die Ferse belastet wird, verallgemeinernd als Rückfußlauf bezeichnen.
Beim dritten Laufstil landet man mit dem Gewicht auf dem Ballen beziehungsweise auf dem Vorfuß. Diese Methode bietet, wie wir sehen werden, die beste Grundlage für einen effizienten und verletzungsfreien Lauf.
Jedes Mal, wenn der Rückfuß unter der Last des Körpergewichts auf den Boden trifft, werden die Möglichkeiten des Bewegungssystems zur Stoßdämpfung und Energierückgewinnung verschwendet. Effiziente Läufer setzen mit dem Vorfuß auf und belasten ihre Fersen nie mit dem vollen Körpergewicht.
Das Landen auf dem Vorfuß schöpft die natürlichen Systeme des Körpers zur Stoßdämpfung voll aus. Das elastische Bindegewebe in den Füßen und Waden, das für den Vortrieb sorgt, kann auch Stöße abfedern. Bei einem Fußaufsatz mit der Ferse mit anschließender Gewichtsverlagerung wird diese Funktion der Füße und Waden kaum genutzt.
Die Ferse besteht hauptsächlich aus Knochen und dient zur Stützung, nicht zur Abfederung des Körpers. Unsere Fersen sind fürs Gehen gemacht, und nicht zum Laufen. Schnelligkeit und Verletzungsresistenz spielen beim Gehen keine große Rolle. Wenn Menschen schnell sein möchten, gehen sie nicht, sie laufen oder rennen. Die Nutzung der Rückstoßelastizität hat für das Gehen keine Bedeutung. Die Stoßbelastung beim Gehen ist minimal, deshalb ist eine Stoßdämpfung nicht nötig. Das Vorstrecken des Fußes und der Fußaufsatz mit der Ferse sind sehr effiziente Techniken zum Gehen oder Wandern, zum schnellen Laufen jedoch nicht geeignet.
Wenn ein Läufer bei jedem Schritt die Ferse mit seinem Gewicht belastet, geht die Stoßkraft von der Ferse direkt durch das Fußgelenk und weiter hinauf bis zum Schienbein, was häufig zu einem Schienbeinkantensyndrom oder einem Belastungsbruch führt. Das Schienbein lenkt die Stoßbelastung zum Knie weiter, das ebenfalls nur geringe stoßdämpfende Eigenschaften hat; eine Reihe anderer Verletzungen können die Folge sein. Vom Kniegelenk aus wirken die Stoßkräfte weiter über den Oberschenkelknochen bis zur Hüfte und dann weiter bis zum Lendenwirbelbereich, wo sie unterschiedliche Beschwerden auslösen können. Von dem Gewebe, das beim Rückfußlauf belastet wird, verfügt keines über adäquate Mechanismen, um die Stoßbelastung eines Laufschritts aufzufangen.