Die Herzperiode (Schlag-zu-Schlag) verändert sich aufgrund wechselnder Anforderungen ans Herz. Dabei regulieren das autonome Nervensystem und das Hormonsystem die Herzfunktion durch die Anpassung des Herzminutenvolumens. Verschiedene Kenngrößen bestimmen die Herzratenvariabilität (HRV) aus der Zeitfolge mehrerer Intervalle, dem Abstand zweier aufeinanderfolgender R-Zacken im EKG.
Das Herz schlägt also nicht monoton, sondern aufgrund der ständigen Modulation durch das autonome Nervensystem variabel. Im Gegensatz zur Ruheherzfrequenz, die nur geringe Schwankungen von Tag zu Tag zeigt (es sei denn der Athlet leidet unter einem Infekt, o.ä.) reagiert die HRV sehr sensibel auf die zuvor absolvierte Trainingsbelastung.
Messung von Belastungs- und Erholungsgrad
Beim methodischen Training wird versucht, negative Folgen intensiven Trainings zu vermeiden. So kann mit der Analyse der HRV ein nicht funktionales Overreaching (NFOR), Übertraining und Ermüdungserscheinungen wie funktionales Overreaching (FOR) oder Untererholung gezielt genutzt werden.
Funktionales und Nichtfunktionales Overreaching
Das funktionale Overreaching soll dem Athleten in eine gewollt starke Ermüdung bringen, die dann in der Folge aufgrund des Superkompensationsprinzips in einer starken Leistungsentwicklung resultiert. Dabei muss der Punkt gefunden werden, an dem das FOR maximal ist, ohne dass es zu einem NFOR kommt, dessen Folgen Leistungsschwund und sogar Übertrainingseffekte sein können.
Dabei zeigte sich ein guter Erholungszustand in hohen vagalen (den Parasympatikus betreffenden) HRV-Parametern. Der Nervus Vagus ist als größter Nerv des Parasympathikus an der Regulation aller inneren Organe beteiligt.
Die HRV kann also als Messgröße zur Regeneration helfen, die nötigen Erholungspausen zur richtigen Zeit zu setzen. Man spricht dann von einem funktionalen Overreaching (FOR) wenn die Leistungsfähigkeit oder vagale Aktivität nach kurzer Regenerationsphase wiederhergestellt ist. Andernfalls liegt ein nicht funktionales Overreaching (NFOR) vor, das sich ohne Regenerationsmaßnamen und Trainingsverzichts zu einem Übertraining ausweiten kann.
Parameter der HRV
Im Leistungssport ist ein Ermüdungszustand, der bis zur nächsten Trainingseinheit vorhanden ist durchaus gewünscht (z.B. der Lauf unter Vorermüdung, der die besondere Bedeutung des Laufs auf der Langdistanz berücksichtigt). Damit dieses funktionale nicht zu nicht funktionalen Overreaching wird, muss der Erholungszustand sehr gut beobachtet werden.
Hauptsymptome beim Übertraining lassen sich auf Störungen im autonomen Nervensystem zurückführen. Die gängigsten Parameter zur Bewertung sind:
- RMSSD: kurzfristige Veränderung der RR-Intervalle über den quadratischen Mittelwert
- SD1: Standardabweichung, Breite der Poincare-Wolke
- HF-Power: Spektralleistung im HF-Frequenzband von 0,15 – 0,4 Hz
RMSSD
Diese Berechnung des quadratischen Mittelwerts der RR-Intervalle lässt sich relativ leicht und dynamisch in einer Smartphone/Smartwatch oder Garmin IQ App realisieren und ist somit auch für den nur wenig im Thema eingearbeiteten Athleten leicht alltagstauglich. Die Werte lassen sich direkt mit den Vortageswerten vergleichen und direkt Rückschlüsse über die Entwicklung der Regeneration herleiten (mehr dazu s.u.).
SD1
Im Allgemeinen ist das nach Henri Poincaré benannte Diagramm ein Mittel, um Dynamik und Selbstähnlichkeit in Phänomenen zu analysieren. In diesem Fall werden jeweils zwei aufeinanderfolgende RR-Intervallwerte als Punkte zugeordnet und eingetragen. Daraus entsteht letztendlich eine Punktwolke. Rein optisch und qualitativ kann die Form der Punktwolke physiologischen Zuständen zugeordnet werden.
Quantitativ betrachtet, ist die Standardabweichung der Punkte vom Mittelpunkt der Wolke Mittel für die Beurteilung der Variabilität. SD1 betrachtet die Standardabweichung in der Breite der Wolke (steht für kurzzeitige Variabilität), SD2 die Standardabweichung in Längsrichtung (steht für langzeitige Variabilität).
Die optische Interpretation bedarf Erfahrung mit dem Thema und ist somit nur für Experten zu empfehlen. Die quantitative Analyse bedarf eines Instruments in Form einer App, die, die Wolke und deren Kennzahlen berechnet. Dieses Mittel ist komplexer als die RMSSD Analyse.
HF-Power
Die Vagusaktivität erscheint nach EKG Messung und deren Frequenzanalyse als Kurvenmaximum im Herzfrequenzband. In Ruhe befindet sich die Aktivität des Vagus im Frequenzbereich zwischen 0,15 und 0,4 Hz. Bei erhöhter Vagusaktivität schiebt sich die Kurve in einen höheren Frequenzbereich. Bei maximaler körperliche Belastung findet man das Maximum zwischen 0,7 und 1,1 Hz.
Diese Methode kann die Veränderung eindeutig und genau darstellen, ist aber für den Athleten selbst wenig alltagstauglich, da sie zu rechenintensiv ist. Für eine genaue Analyse durch den Trainer oder Arzt im Nachgang ist die Methode jedoch gut geeignet.
Bedeutung für das Training
Das Ausmaß der körperlichen Aktivität korreliert invers positiv mit der efferenten (ausgehenden) Vagusaktivität und negativ mit der efferenten Sympathikusaktivität. D.h. die vagale Aktivität sinkt nach hoher Belastung und steigt nach Regeneration wieder.
In einer Overloadphase kann es zu mehreren Effekten kommen:
Man spricht dann von einem funktionalen Overreaching (FOR) wenn die Leistungsfähigkeit oder vagale Aktivität nach kurzer Regenerationsphase wiederhergestellt ist. Andernfalls liegt ein nicht funktionales Overreaching (NFOR) vor, das sich ohne Regenerationsmaßnamen und Trainingsverzichts zu einem Übertraining ausweiten kann.
Im Hochleistungssport (hohe efferente Vagusregulation) sind die Übergänge fließend und es müssen unbedingt weitere Parameter berücksichtigt werden um Ermüdungs-, bzw. Regenerationszustand ausreichend beurteilen zu können.
Dieser Beitrag entstand unter Mitwirkung von Thorsten Völkl, B-Lizenz Triathlon Langdistanz, Headcoach & Inhaber TRIAkademie.de