Triathlon Rennberichte

Challenge Roth 2013 – Raceday

4.30 Uhr – nein, es klingelt nicht der Wecker.. Ich höre wie es im Wohnwagenanhänger leise sägt .. Mein Wachtraum vom „Big Picture hier in Roth” läuft noch ‚der Lauf am Kanale bei Hitze, alles warm und hell, die letzten Meter des Marathon in Roth mit dem Gedanken, gleich raus hier, gleich geht’s ins Stadion und dann der erlösende Weg auf meinen Finisher-Teppich…“ .. Und dann kommt der Geist, wie spät, ähm 4.30 Uhr, ok, alles easy und fühle mich bereit.

Dann um 4.55 Uhr die imaginäre Checkliste durchgehen: Ohrenstöpsel dabei? Ohne die geht gar nichts und auf Brust Schwimmen habe ich mal gar kein Bock. Neo, grüne Badekappe. Ich bin mittendrin im Vorstart-Fieber.

Als wenn hier gerade eine Autobahn-Ausfahrt aufgemacht wurde und sich ein kilometerlanger Stau vom Osterverkehr verteilt. Autos, Busse werden von der Polizei dirigiert. Auf fränkisch klingt das eh ein bisschen lustig „woiter, woiter .. Hier long..“ und mit zunehmenden Aufkommen an Verkehr wird der Herr in der Stimme auch bestimmter.. „Jetzt fahr zuah..“ ..

Wir war das noch mal mit dem Beutel fürs Rad.. Schuhe, Socken und ein paar Riegel und Gels? Weil ich im Wettkampf die Nutrion-Versorgung mit High5 .. naja, ich kann halt mehr mit meinen gewohntem Sponsor-Zeug und den salzigen Gels umgehen.

5.00 Uhr – jetzt aufstehen und Kind umlagern.. Kaffee kochen! Essen mit dem leckeren Honig von Schwiegervater .. no problem! Jetzt wusel ich hin und her, mit Sonnenöl bewaffnet und stehe vor dem Anhänger.. Verkehrschaos..  Die Roth-Hymne vom Schwimmstart erklingt und besänftigt. 6.05 Uhr Verabschiedung vom Family, die Kinder schauen noch ganz ungläubig dass ich schon herumhüppel .. (Hummeln im Ar** habe)

Die Massen, am Schwimmstart stehen bereit und ich quetsche mich da durch, keine Frage, die Starter sind mehr aufgeregt, ich muss da irgendwie in die Wechselzone kommen.. Der Aufruf .. noch 5 Minuten bis zum Ablegen der Wechselbeutel.. das erste Stressgefühl, wo muss ich meinen Beutel hinlegen .. Und noch schlimmer, wie kann ich mir merken wo der liegt? Herr je, durchatmen, alles wird gut, 919 kann ich mir schon noch merken. Am Rad treffe ich auf Startnummer 920 – mein Kompagnon von BR-Fernsehdreh vor 2 Jahren, der auch wieder startet. Das kann doch kein Zufall sein? Kurzer Smalltalk, Zielzeiten durchgeben, Nervosität herunterspielen und alle gute wünschen.

In der legendären Warteschlange vor der Dixi-Farm lustiger Smalltalk und ein kribbeln auf der Haut, denn die Profis gehen an den Start.. Roth 2013 – Take 1 – der Film beginnt.. Bis ich in der 4. Startwelle dran komme – keine 20 Minuten mehr. Neo an und dann ins Wasser.. Kurz noch mal am Michael Rauschendorfer (Fotograf) vorbei zurück ans Land, Wasser aus Neopren rauslassen, jetzt sitzt der bombenfest. Im Wasser sind es dann gefühlte 10 Minuten auf der Stelle schwimmen..

Mit Abstand von je einem Meter zu den anderen Schwimmern wird hier auch über das tolle Wetter gesprochen .. „jeder hier ist ja die meiste zeit bei regen auf dem Rad gewesen..“ und „das wetter ist unsere Belohnung“ .. „Leute, auf ein tolles Rennen“..

Startschuss

Los geht es in der „Brühe“ vom Main-Donau-Kanal kurbeln die Arme und rattern die Beine umher. Und ich erhalte einen Tritt, Schlag oder Stoß frontal auf meinen Ringfinger, der sich schmerzhaft meldete und ich nicht mehr krümmen konnte.. ‚Das gibt es doch nicht?’ Schiebe das mental beiseite, vorne die Jungs ziehen etwas weg… Die Richtungsbojen mal links, mal rechts vorbei.. Ich komme doch gut vorwärts, finde (m)einen Rhythmus, auch wenn ich auf dem rechten, meinen stärkeren Zugarm nur mit „hängenden“ Finger schwimmen konnte.

Die Jungs von der Wasserwacht geben mir an der ersten Wende Winkzeichen. Ok, ok, dann kleinen Schlenker nach rechts um wieder auf Track zu kommen. Die ersten Schwimmer aus vorheriger Startgruppe sind eingeholt ;)

So, jetzt lange Gerade, die Heißluft-Ballone sind aufgestiegen, das erste mal für mich in Roth, das zu erleben. Sind ein tolles Brandmark und Orientierung beim Schwimmen.. Endlich an der Brücke, noch 800m.. Jetzt kommen auch schon die schnellen Schwimmer aus der 2. Startwelle.. Wuah.. Wettkampf Feeling.

Wechsel

Raus aus dem Wasser, wo ist noch mal mein Beutel.. Servus ruft es da.. Ach, der Lajos, der mir noch in der Wechselzone auf dem Rad einen netten Gruße hinterlassen hat. Freundlich schauen fürs Foto.. und rein zum Wechsel.. Professionell wird meine Tüte vom Helfer ausgekippt, ehe ich meine Schuhe anhatte, war mein Neo verpackt.. Hey, was für ein Service ;)

Zum Rad, diesmal fast auf Anhieb gefunden, hatte mir das Bild von vollen Radständern eingeprägt, aber da fehlten jetzt vor mir ein paar.. Aber gut gelaunt auf zum Radstart, die Family kurz gegrüßt und dann endlich auf die Radstrecke..
Mit hohem Tempo gleich an der ersten Kurve an meiner Family vorbeirauscht und der Blick auf dem Tacho.. 62km/h… „Ruhig bleiben, jetzt nicht überpesen.“ Also die Beine habe ich schon gemerkt, etwas fest. Aber ich habe mich an meinen Lenker geklemmt und gleichmäßig gedrückt. Das erste 30 km Schild, habe ich tatsächlich nur 49 Minuten bis hier gebraucht? Immer wieder Frauen und auch ein paar Männer überholt, von hinten kam aber nicht all zu viel, bei bisherigen Rennen war da deutlich mehr.
Kurz vor Greding habe ich auf flacher Strecke 2 Franzosen überholt, die sich motiviert fühlten und bei nächste Gelegenheit im Wiegetritt überholten und direkt vor mir einscherten… Also Leute, das geht so nicht, habe mich aufgeregt und lautstark protestiert.. Und wie sollte es sein, ein Motorrad mit Shiri, na super, ich bin auf 180.. Der Kampfrichter allerdings total entspannt, gibt mir zu verstehen, dass er die Situation erkannt hat! Hat dann ein paar Minuten versucht die sprachlichen Hürden zu nehmen und eine Verwarnung auszusprechen und ich habe hier meine Chance zum ausreissen genutze, rechts vorbei und direkt in den Kalvarienberg mit dickem Blatt hoch.. Ohje, das waren über 290 Watt im Schnitt….

Freiheit auf dem Rad

Dafür hatte ich die erste Abfahrt meine Freiheit, kaum einer da, ich konnte die Abfahrt runterbrettern, habe die Kurven ja direkt vor einer Woche geübt. Km 60 mit wieder mit 49 min gemacht, ok, ich glaube, ich bin on track. Oberhalb meiner Komfortzone bin ich am Hügel vom Solarer Berg gefahren, muss ja gut aussehen fürs Foto von meiner Frau ;)

Und dann das Highlight.. Ist der Solarer Berg jetzt ganz alleine für mich, keiner da? Hier knisterte das Triathlonfeuer, als ich ankam wurde es gezündet und ich rausche in Aeroposition hinein…

Wuah, was soll ich sagen, mehr davon und ich habe heute keine Motivationsprobleme. Dann immer wieder den Druck auf dem Pedal gesucht, weiter die erste Runde abschließen. Zwischenzeit 50 Min auf den nächsten 30km. Oh, jetzt merke ich die Anstrengung, jetzt fängt es schon an leicht zu brennen, quasi die tabasco-Version. Aber, ich will das packen und haue rein, am Schwimmstart vorbei winke ich meiner Family, die mich entweder noch nicht erwartet oder nicht so schnell erkennen konnte..

Km 120, jetzt habe ich den Kalvarienberg doch mit kleinem Blatt genommen, so leicht wie vorhin geht der jetzt nicht, zumal auch der Wind (Thermik) sich bemerkbar macht. Aber insgesamt habe ich so oft nach hinten geschaut und gähnende Leere, ein irres Gefühl. Im Ziel werde ich meinem Sohnemann stolz erzählen können, dass ich 6 Scheibenräder überholt habe ;)

Eine Aufregung bei km 140 oder so. Zwei Kerlchen fahren wirklich 10 cm hintereinander, auffällig gleich gekleidet und nur eine Startnummer auseinander. Mir ist das eigentlich egal, aber eine laute Bemerkung „dichter geht’s wohl nich mehr Jungs?“ kommt mir dann doch über die Lippen..

Laufen 

Jetzt plane ich den 3. Teil meines Rennens. Nach dem 2. Aufstieg Solarer Berg kommt mir der gedanke „hoffentlich tut es beim Laufen weh und ich kann direkt zum Buffet und Dusche!“ jetzt noch laufen, wie soll das gehen, jetzt ist der Habanero Schärfegrad in den Beinen erreicht.. Aber ich schiebe diese gedanken bei Seite, sehe die uhr, 30 km in 52 Minuten.. Oh je, jetzt muss ich dranbleiben, jetzt wird es hart, jetzt muss ich die Runde in 50 minuten fahren, um die 5 h Marke zu schaffen..

Das Rad wird mir abgenommen und meine Tüte mit Startnummer 919 finde ich schnell, im Wechselzelt zack zack die Laufschuhe an, fleissige Hände verpacken den Rest und ich bin draussen, trinken, wichtig.. Denn die Sonne knallt und ich stehe in den Laufschuhen!
Rhythmus finden und km Schild 2 fliegt schon an mir vorbei, die vielen Schilder mit den hervorragenden Motivations-Floskeln der Angehörigen motivieren mich zu laufen. Km 5 halte ich an und checke mein Fuß, den ich bis dahin noch nicht gespürt habe. Gutes Zeichen, keine Wärme und nicht geschwollen, das wird mein Rennen. Jetzt irgendwie den Lauf überstehen.

Km 8 – hey, den kennste, ist doch Henrik der mir einen Kilometer nebenläufig meinen Laufstil begutachtet und Motivation zuspricht.. Ich kann noch scherzen und reden und nehme seine erfahrenen Worte gerne entgegen. An dieser Stelle ist auf dem Rückweg schon Kilometer 21, das ist doch mal was. Raus nach Schwanstetten, da sollte meine Family stehen. Also ich war da, keiner sonst den ich kannte. Etwas enttäuscht mache ich meinen Lauf, der nicht wirklich schnell war, dennoch komme voran.

Der Mini-Berg am Kanal hoch ist schon anstrengend, ganz kurz anhalten und weiter..

Km 20, Henrik wartet, die Stimmung ist gut, die Sonne knallt – mein Rennen! Km 24 an der Lende sehe ich Sandra, hopp hopp! Jetzt beginnt der schwerste Teil, vom Kanal durch den Wald nach Hilpoltstein ist für mich mental der größte Brocken. Es war eine Mischung aus Ohnmacht und Lustlosigkeit die mit einem mal aufkam, der spruch an der Wende „die letzte Wende für heute“ und bei km 31 „ab hier läuft nur noch der Kopf“ oder so.. hatte seine Daseinsberechtigung. Ich wankte schon ein wenig und bin am Kanal leicht umgeknickt. Kurz anhalten, irgendwie dreht sich alles.. Sandra fängt mich so halb und wie immer hat sie auch gleich die erklärung parat „vielleicht doch zu wenig gelaufen die letzten Wochen“.. Sagen konnte ich nichts mehr, auch nicht nachdem mich 500m später Henrik wieder empfing.. Mein Wille kam nur noch mit dem „ich schoff’ dass“ über meine Lippen.. Ab km 35 habe ich mich auch wieder im Griff, jetzt kommt mein Wille.

Dieser kleine Berg in Roth, kurz vor der kleinen Schleife in die Stadt, übel. Ich kam da nur noch gehend mit Unterstützung von Händen auf den Oberschenkeln hoch. Hoffentlich sieht mich hier keiner ;)

Dann ist es aber auch egal, es sind noch 1,5 km und ich will diese Medaille, die habe ich mir jetzt verdient.. Der Teppich in greifbarer nähe und da stehen sie .. meine Kids, meine Family und meine Tränen in Gesicht. Jetzt wollen die kleinen doch ein Rennen? Das Rennen im Rennen? Ihr habt gewonnen! Ich kämpfe um Fassung und ziehe meine Kappe tief ins Gesicht. Geschafft.. Zeit? Keine Ahnung, ich heule. Meine Kiddies drücke ich und da kommt sie, meine Medaille!

Und da steht Lajos und ich drücke ihn auch, habe meine Fassung so halb wieder und danke allen. „Naja, hast das ja deutlich unter 10 h geschafft!“ Ich fasse es nicht, habe das Gefühl das mir die Tränen formlich aus den Augen spritzen, als ich das gehört habe..

10 Minuten später sitze ich in Zelt und lasse mir von meinen kleinen tolle Sachen vom Buffet holen und komme so langsam zu mir. Dann raus und Family suchen, alle drücken und herzen..

Meine Dankeschön: 09:52 Stunden in Roth 2013 ;)

Vielen Dank für eure Riesen-Unterstützung!

Bild mit freundlicher Genehmigung von Redaktion | blog by triafreunde.com

Tom Stark

Seit 20+ Jahren Triathlet und begeisterter Triathlon Coach. Zu meinen Erfolgen zählt das Finish von 20 Triathlon Langdistanzen, davon 8 mit einer Zeit von unter 10h. An zahlreichen Olympische Distanzen und Mitteldistanzen teilweise mit Top 50 Platzierungen oder den Sieg in der Altersklasse belegt.

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